Hallo, ich bin Happy!

Hallo, ich bin Happy!

Ehemaliger Kettenhund & Langzeit-Sitzer im Tierheim

Da sitze ich nun mit meinem 7 Jahren im österreichischen Tierheim, eingereist aus Ungarn, wo ich schon 1 Jahr Tierheim-Aufenthalt hinter mir habe. Eigentlich hätte mich mein Weg nach Deutschland führen sollen, zu einer neuen Familie. Doch daraus wurde im letzten Moment nichts mehr, man wollte mich doch nicht. Also landete ich im österreichischen Tierheim – vorübergehend. Dass ich dort noch einmal über 1 Jahr sitzen sollte, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Gott sei Dank.

Das Leben im Tierheim war sicher nicht schlecht, auf jeden Fall um einiges besser als meine Lebensjahre zuvor, aber 2 Jahre alleine im Zwinger absitzen und auf seinen Herzensmenschen zu warten, ist nicht so toll. Man vermutet, dass ich Zeit meines Lebens als Kettenhund oder im Hinterhof gehalten wurde – ich habe auf jeden Fall sehr wenig kennengelernt und musste ständig alles verteidigen, was mir lieb und wichtig war. Deswegen hab ich’s auch nicht so mit Artgenossen, ich möchte die lieber auf Distanz halten

Lesetipp: Achtung ! Leinenrambo!

Ein paar Monate nach meiner Ankunft in Österreich hat mein jetziges Frauli mich im Zuge ihrer Hundetrainer Ausbildung und Arbeit im Tierheim kennengelernt. Anfangs fand sie mich ganz furchtbar, wie sie später zugab – ich zerrte an der Leine wie wild, war draußen wenig ansprechbar, stand ständig unter Strom und hing kläffend am Zwingergitter. Und mit meinen 30 kg Lebendgewicht ist das durchaus eine Herausforderung.

Naja, wie es der Zufall so will, hat sie aber nach und nach gelernt, mit mir umzugehen – und ihre Ausbildung als gewaltfrei arbeitende Hundetrainerin und Verhaltensberaterin kam auch mir zugute. Gewalt und Druck ist nichts für mich, habe ich doch in meinem Leben viel zu viel davon erfahren.

Nun wohne ich schon über 2 Jahre bei ihr. Gemeinsam mit ihren beiden Katzen. Und das, obwohl ich als völlig unverträglich mit Katzen galt und diese “zum Fressen gern hatte”. Wie das alles kam? Das erzählt sie euch am besten selbst …

Mein Weg zum gewaltfreien und bedürfnisorientierten Hundetraining

Vom hundemenschen zum Hundeversteher

Hallo, ich bin Daniela – Happy’s Frauchen. Happy alias Hamlet, wie er im Tierheim hieß, war anfangs ein Buch mit sieben Siegeln für mich. Obwohl ich hundeerfahren bin und immer Hunde mit besonderen Bedürfnissen und Charakteren betreute, brachte mich Happy dennoch an die Grenzen meines Wissens. Ich hatte so gar keinen Plan, wie ich mit ihm umgehen und arbeiten sollte.

Das änderte sich aber im Laufe meiner Ausbildung zur Hundetrainerin bei Veronika Pirnbacher, einer der ersten tierschutzqualifizierten Hundetrainerinnen in Österreich mit sehr viel Erfahrung mit Tierschutzhunden (www.deah.at). In 12 Monaten sind wir sind tief in die Verhaltensbiologie eingetaucht, haben alles an wissenschaftlichen Grundlagen zu Stress, Angst und Aggression gelernt. Und konnten unser Wissen gleich im Tierheim vor Ort in die Praxis umsetzen. Parallel zur Ausbildung bin ich mehrmals die Woche ins Tierheim gefahren, um zu lernen und den Hunden dort zu helfen, v.a. Happy, denn er war immer am Zwingergitter, wenn ich die Türe aufmachte.

Daniela Loibl, Zert. Hundetrainer

Irgendwie ist er mir ans Herz gewachsen, der “Dicke”, obwohl es bei weitem einfachere Hunde in den Zwingern nebenan gab und er eigentlich so gar nicht mein Beuteschema ist. Viele Hunde sah er kommen und gehen, jeden Tag kamen Interessenten für die anderen Hunde, doch für ihn kam so gut wie nie jemand. Es schien fast so, als sei er unsichtbar. Obwohl er sofort kläffend am Zwingergitter hing, sobald die Türe zum Raum aufging.

Deswegen habe ich mir ein Herz genommen und ihm besondere Aufmerksamkeit geschenkt, damit er zumindest etwas Abwechslung in seinem Tierheim-Alltag bekommt. Und durch regelmässiges Training bessere Vermittlungschancen hat. Am Anfang standen einfache Spaziergänge am Plan, nichts Aufregendes für uns Menschen, aber für Happy, der in seinem Leben wohl noch kein Gras zwischen den Pfoten spüren durfte, war so ein kleiner Waldspaziergang unglaublich fordernd. Viele neue und unbekannte Reize, die verarbeitet werden mussten. Apportieren ist seine Leidenschaft, und so haben wir auch regelmässige Spielstunden im Freilaufgelände eingebaut. Dort konnte er mal so richtig loslaufen und freute sich wie ein kleines Kind über sein Spielzeug und seine neue gewonnene Lebensfreude.

Je mehr wir in unserer Ausbildung lernten, desto mehr wollte ich sein Verhalten analysieren und Antworten auf viele Fragen finden:

  • Warum zeigt Happy das Verhalten, das er eben zeigt und das für uns Menschen unerwünscht ist – ein unerzogener Hund?
  • Warum kommt er mit unserer Umwelt so gar nicht zurecht und lässt sich extrem schnell stressen – ein Nerverl?
  • Warum schafft er es kaum zur Ruhe zu kommen – ein hyperaktiver Hund?
  • Wieso reagiert er auf viele Reize mit Panik – ein Hysteriker?

Die Ursachen dafür findet man großteils in seiner (unbekannten) Vergangenheit und wahrscheinlich auch in seiner fehlenden Sozialisierungs- und Prägephase. Auch die Gewalterfahrungen, die er gemacht hat, haben massiven Einfluss auf sein Verhalten. Um Happy noch besser zu verstehen und ihn bestmöglich unterstützen zu können, habe ich mich intensiv in Hundeverhalten und Tierpsychologie weitergebildet – und tue es immer noch. Denn es gibt soviel zu lernen, zu verstehen und zu beachten. Ein Verhalten hat niemals nur einen einzigen Grund, es ist nur ein Symptom – ein Ausdruck eines Bedürfnisses, das erfüllt werden möchte. Um Ursachenforschung betreiben zu können und die geeigneten Trainingsschwerpunkte festlegen zu können, benötigt es unbedingt eine Verhaltensanalyse. Wenn ich nicht weiß, welches Bedürfnis hinter einem (unerwünschten) Verhalten steckt, weiß ich auch nicht, an welchen Schrauben ich drehen muß, damit sich der Hund besser fühlt. Im strafbasierten Training wird nie nach dem „Warum“ gefragt, hier wird der Hund einfach in seinem Verhalten gehemmt. Dass damit weder die Ursache behoben ist, noch der Hund sich besser fühlt, sollte klar sein. Deswegen lehne ich jegliche Form von strafbasiertem Training strikt ab! Es ist einfach nicht nachhaltig, fügt dem Hund unnötig Stress, Angst oder Schmerzen zu und lässt einen Hund aufgeben. Das entspricht nicht meinen Werten und meiner Vorstellung vom Umgang mit einem fühlenden Lebewesen. Ebenso lehne ich es ab, dem Hund ein Etikett wie stur oder dominant zu verpassen, da es einfach den Blick auf Verhalten nimmt und den Hund in eine Schublade steckt. 

Lies dazu gerne meinen Artikel: Strafe oder Belohung

Viel mehr als nur Leckerli in den Hund stecken

Wie Hunde lernen oder eben nicht

Durch das Anwenden unterschiedlicher Lerntheorien, die im Zuge des positiven Hundetrainings Grundbestandteil der Ausbildung sind, habe ich im Laufe der Zeit gemerkt, worauf Happy anspricht, was ihm gut tut, worauf ich eher verzichten sollte und wie wir unsere gemeinsamen Ausflüge möglichst entspannt und stressfrei gestalten können. Die Einführung eines Markersignals war der erste Schlüssel zur Ansprechbarkeit, kombiniert mit gemütlichen und reizarmen Spaziergängen im Wald.

Gegen Ende meiner Ausbildung habe ich Happy dann adoptiert, ich wollte nicht länger zusehen, wie er weitere Lebensjahre im Tierheim verschwendet. Er ist so ein lieber Hund und unglaublich menschenfreundlich, benötigt aber durch seinen chronischen Stress und dadurch verursachte Verhaltensweisen sehr viel Einfühlungsvermögen, Geduld und Trainingswissen. 

Unsere gemeinsame (Lern-)Reise ist noch lange nicht zu Ende: Die Erfahrungen seiner Vergangenheit haben ihn geprägt und Spuren hinterlassen. Nicht nur körperlich, vor allem psychisch. Und das stellte mich vor die nächste große Herausforderung. 

Wieviel Zeit braucht ein 7 Jahre alter Hund mit einem vollen Rucksack an negativen Erfahrungen, fehlender Sozialisierung und Traumata? Was kann ich von ihm (trainingsmäßig) erwarten und wozu ist er einfach mental noch gar nicht in der Lage? Diese Fragen beschäftigen mich auch heute noch und wahrscheinlich sein ganzes Hundeleben lang. Wie wichtig das Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele ist, zeigt mir Happy mit den vielen kleinen Babyschritten, die wir vorwärts machen, wenn es ihm gut geht – und den Schritten retour, wenn er sich nicht so wohl fühlt. Damit er bestmöglich von mir unterstützt werden kann, bilde ich mich natürlich laufend fort, v.a. im Bereich Trauma und Bindungsaufbau. Außerdem lasse ich mich auch regelmäßig von erfahrenen Kolleginnen coachen, denn oft sieht man selber den Wald vor lauter Bäumen nicht. 

Wie lange dauert das nun mit dem Hundetraining?

Training ist nur die halbe miete

Viele kleine Puzzleteile haben sich schon aufgedeckt, manche lassen sich erahnen und bei manchen tappe ich noch im Dunklen. Der Spruch “Die Zeit heilt alle Wunden” trifft auf Happy wohl besonders zu – 7 Jahre blöde Erfahrungen, keine Erfahrungen und traumatisierende Erlebnisse lassen sich nicht einfach mit ein paar Trainingseinheiten löschen. Und schon gar nicht mit welchen, wo wir ihn mit Wasser bespritzen oder ihm irgendetwas hinterherwerfen. Es benötigt neben modernem Trainingswissen viel an Geduld, Zeit und Engagement. 

Parallel zu Verhalten und Training arbeiten wir natürlich auch an seiner Gesundheit und seinem Wohlbefinden: Ein tierärztlicher Check auf Gesundheit, Schmerzen und Blockaden ist essentiell für jeden Hund, aber vor allem für jene, die Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Ist der Körper nicht fit, zwickt’s irgendwo, ist der Hund nämlich gar nicht in der Lage, erwünschtes Verhalten zu zeigen. Das gilt übrigens auch für die Psyche. 

Bei Happy zeigten sich Unregelmässigkeiten im Gangbild, verursacht durch HD, Arthrose, Spondylose sowie Magen-/Darm Probleme durch seinen chronischen Stress. Beides haben wir mittlerweile gut im Griff, dank regelmässiger Behandlungen (Physiotherapie, Lasertherapie, Chiropraktik) sowie Unterstützung durch Miriam, einer erfahrenen Ernährungs- & Gesundheitsberaterin (www.feinerhundeladen.at). Ebenso wurden seine Zähne saniert, da sich auch hier übermässige Abnutzungserscheinungen gezeigt haben, die Schmerzen verursachen (Anm.: Bitte geht mit eurem Hund zu einem spezialisierten Zahntierarzt, der normale Tierarzt ist hier oftmals nicht ausreichend geschult. Wir lassen ja auch kein Dentalröntgen vom Hausarzt durchführen). 

Wie sehr sich Schmerzen auf Verhalten auswirken können, ist leider – auch in Tierarztkreisen – noch nicht so bekannt. Zumal ich unter Schmerzen nicht ausschließlich einen dauerhaften, starken Schmerz verstehe, wie eventuell ein Tierarzt, sondern auch gelegentliches Bauchweh, Arthroseschübe bei Schlechtwetter sowie chronische Schmerzen. All das beeinflusst das Verhalten deines Hundes und kann sich u.U. in verstärktem Aggressionsverhalten, Unruhe, Trennungsstress o.a. zeigen. Man wir dabei als Hundehalter oft nicht ernst genommen bzw. abgetan, doch es lohnt sich, dranzubleiben. Schmerz ist der größte Stressor im Hundekörper und wir wissen, dass Stress Nährboden für unerwünschte Verhaltensweisen ist. 

Ähnlich wie bei uns Menschen: Laufen wir nicht rund, können wir uns schwer konzentrieren, sind leichter erregbar, reagieren schnell gereizt und schaffen mitunter einfache Aufgaben nicht. Bemerkst du diese Verhaltensweisen bei deinem Hund, denke nicht ausschließlich an Training, sondern auch an seine Gesundheit!

Buchtipp: Schmerzen & Verhalten – Zusammenhänge beim Hund verstehen (med. vet. Patrick Blättler-Monnier, Katrien Lismont)

Sonderfall: Trauma bei Hunden

Narben auf der Seele

Je länger Happy bei mir lebt, umso mehr „kommt er an“. Das bedeutet aber auch, dass er mehr er selber sein kann. Und seinen Schutzmantel, der ihn früher vor Gefahren, Bedrohungen oder Ängsten geschützt hat, ablegen darf. Was in der Theorie sehr schön klingt, ist in der Praxis oft das Gegenteil. Es stellen sich plötzlich Verhaltensweisen ein, die vorher nicht da waren – und nicht immer mein Leben erleichtern. Alleine bleiben ist beispielsweise etwas, was Happy sehr, sehr schwer fällt. Um entspannt alleine bleiben zu können, muss sich der Hund sicher fühlen. Aktuell fühlt er sich in meiner Nähe sicher, aber fehlt (s)eine Vertrauensperson, bekommt er Stress. Ihn überall mit hinzunehmen fällt auch weg, da er mit sehr vielen Situationen nach wie vor extrem überfordert ist. Das stellt mich in der Alltagsplanung durchaus öfter vor Herausforderungen.

Mittlerweile weiß ich, dass Happy traumatisiert ist bzw. an Traumafolgestörungen leidet. Die Diagnose ist nicht so einfach zu stellen, zumal es nicht dieses „eine Verhalten“ gibt, anhand dessen man ein Trauma festmacht. Ich habe mich im letzten Jahr sehr intensiv mit Traumata, der Entstehung, den Folgen und den Trainingsansätzen beschäftigt. Ebenso mit psychischen Erkrankungen bei Hunden – die übrigens ähnlich zu jenen beim Menschen sind.

Ich habe viel ausprobiert, noch mehr Struktur in den Alltag gebracht, unsere Tage entschleunigt und mir professionelle Unterstützung von erfahrenen Kolleginnen geholt. Meine schwerste Erkenntnis war, anzunehmen, dass Happy nie ein „normaler“ Hund werden wird – und das, obwohl er von meinem umfangreichen Fachwissen profitiert. Dafür hat er einfach viel zu viel Schlimmes erlebt, was ihn sichtlich gezeichnet hat. Nicht nur körperlich, sondern vor allem seelisch. Die Wunden sitzen tief. Und das zu erkennen und anzunehmen, war ein langer und auch intensiver Prozess für mich.

Persönlich und fachlich bedeutet das für mich, dass ich mich noch tiefer mit der Materie „Trauma“ beschäftigen möchte. Nicht nur, was Verhalten und Training betrifft, sondern auch die Seelenebene miteinzubeziehen. Denn diese ist es, die eine Traumaheilung ermöglicht – oder eben nicht.

Gib Deinem Tierschutzhund Zeit

… und Geduld, Einfühlungsvermögen sowie modernes hundewissen

Happy ist mein Lehrmeister in Sachen Tierschutzhund. Ich gebe zu, er ist schon eine Aufgabe, auch für mich als Hunde-Verhaltenstrainerin. Ich stoße durchaus öfter an meine Grenzen, wie jeder andere Hundehalter auch. Aber ich lerne unglaublich viel von und mit ihm. Weiß man selber nicht mehr weiter, sollte man sich kompetente Unterstützung holen, um wieder einen Schritt vorwärts zu kommen. 

Wichtig ist aber immer, den Hund fair und respektvoll zu behandeln, egal, wie sehr sein Verhalten an Deinen Nerven zerrt. Du hast ihn gerettet und gibst ihm ein neues, besseres Leben – aber das auch annehmen zu können, kann mitunter etwas dauern. Wie lange, entscheidet der Hund. 

Also sei dankbar für Deinen Hund und bringe Geduld und Verständnis mit. Höre nicht auf die Kritiker, die meinen “Das muss er aber können”, “Du musst Grenzen setzen”, “Der ist aber nicht erzogen” – einen Scheiß muss er und das zeigt mir Happy jeden einzelnen Tag. Es ist für uns nicht wichtig, welche Kommandos er zeigen kann. Für uns ist vorrangig, dass wir seinen Stresspegel nach und nach reduzieren, auf seine Gesundheit achten und ihm die Sicherheit in unserem gemeinsamen Alltag geben. Durch einen fairen, achtsamen und positiven Umgang lernt Happy jeden Tag, sich besser und sicherer zu fühlen.

Positives und bedürfnisorientiertes Hundetraining ist keine Trainingsmethode, sondern eine Lebenseinstellung. 

Das einzige was (Tierschutz-)Hunde wollen, ist, sich in unserem Leben zurechtzufinden und glücklich zu werden – und dabei sollten wir Menschen ihnen helfen und sie nicht mit Druck und Strafe gefügig machen. Also, stay positive! 

Dein Happy (Dog)  & sein Lieblingsfrauli               

#dontworrybe(like)happy

Daniela Loibl MBA MSc

Daniela Loibl MBA MSc

  • Hunde-Verhaltensberaterin 
  • verhaltensmedizinische Tierpsychologin 
  • zertifizierte Hunde-Ernährungsberaterin
  • ehrenamtliche Hundetrainerin im Tierheim
  • Buchautorin “Fred & Otto, Wanderführer für Hunde”

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